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  1. DIE DREI ARBEITSPRINZIPIEN VON CL-COACHING
  2. DER TEUFELSKREIS KONZEPTUALISIERTER WAHRNEHMUNG
  3. DIE BEFREIUNG AUS DEM TEUFELSKREIS DURCH DIE PRAXIS DES WAHRHEIT SAGENS

CL-Coaching erfolgt auf der Grundlage von drei Arbeitsprinzipien, die durch folgende Parabeln beschrieben sind:

  1. Ein Frosch
  2. Zwei Bälle
  3. Drei Vögel

1. Die Parabel von dem einen Frosch

Zwei Frösche fielen eines Tages in einen Milchtopf. Sie fühlten sich in diesem Milchtopf gefangen und versuchten herauszuspringen. So oft sie es jedoch versuchten, sie glitten immer wieder von der glatten Wand des Milchtopfs ab. Um mit einem einzigen Sprung aus dem Milchtopf zu kommen, fehlte ihnen ein stabiler Untergrund. Nach stundenlangen, vergeblichen Versuchen aus dem Milchtopf zu entkommen, gab einer der beiden Frösche resigniert auf. Er hörte einfach auf zu paddeln und ging langsam in der Milch unter. Der andere Frosch beschloss jedoch, auf keinen Fall aufzugeben. Er paddelte weiter. Stundenlang. Er ließ sich nicht von Enttäuschung, Resignation und Sinnlosigkeit entmutigen. Kurz vor dem Ende seiner Kräfte angelangt, bemerkte er, wie die Milch sich zu verändern begann. Sie wurde fester. Mit letzten Kräften machte er die Milch zu Butter. Dann gelang es ihm mit einem Sprung aus dem Milchtopf zu entkommen.

Das Prinzip des einen Frosches ist das DURCHHALTE-PRINZIP, getragen von dem Vertrauen in das Auftauchen unerwarteter Lösungen in scheinbar aussichtslosen Situationen.

Aber nur durchhalten um durchzuhalten ist genauso sinn- wie nutzlos. Deshalb muss sich das Durchhalteprinzip auf eine sinnvolle Aktivität, eine Praxis, beziehen. Diese Praxis wird in der zweiten Parabel beschrieben.

2. Die Parabel von den zwei Bällen

Genau genommen handelt es sich hier um ein Gedanken-Experiment, da es sich in der physischen Realität nicht durchführen lässt. Stellen Sie sich dazu folgende Aufgabe vor: Sie verfügen über 2 identische Bälle. Sie sind also gleich groß, haben die gleiche Masse, nehmen den gleichen Raum ein und sind beide undurchdringlich. Ihre Aufgabe als Leiter des Experiments besteht nun darin, die beiden Bälle zur gleichen Zeit in den gleichen Raum zu stellen. Bedenken Sie, dass die Bälle sich nicht durchdringen können. Wenn Sie es etwas spannender für sich selbst machen wollen, lesen Sie einige Momente nicht weiter und versuchen Sie, eine Lösung für diese Aufgabe zu finden. Es gibt eine Lösung. Diese Aufgabe ist nicht unlösbar.

Haben Sie die Lösung gefunden ? Wenn Sie wollen, können Sie diese Aufgabe auch wie einen Zen-Koan behandeln und sich längere Zeit damit beschäftigen. Finden Sie die Lösung selbständig, verstehen Sie damit auch das hier beschriebene Prinzip auf unmittelbare Weise – ohne Erklärung. Der Unterschied zwischen der Erklärung der Lösung und einer unmittelbaren Einsicht in die Lösung dieser Aufgabe, entspricht dem Unterschied zwischen einem Witz den man versteht und darüber lacht und einem, den man erklärt bekommt – und jeder weiß, was das bedeutet.

Wenn Sie immer noch nicht wissen, wie Sie zwei undurchdringliche, identische Bälle zur gleichen Zeit in den gleichen Raum stellen können, hier ist die Lösung: Beide Bälle müssen verschwinden. Da sie zur gleichen Zeit im gleichen Raum stehen müssen, können sie nicht mehr in Zeit und Raum existieren, d.h. sie müssen verschwinden. Anders gesprochen, wir müssen uns ein "Loch" im Raum-Zeit-Kontinuum denken, in das beide verschwinden. Ein "Loch", das den gleichen Raum einnimmt, den ein Ball eingenommen hat, bevor beide verschwanden.

Stellen Sie sich nun vor, dass ein Ball Ihre gesamte sinnliche, emotionale und mentale Erfahrung repräsentiert. Also alle Körpergefühle, Emotionen und Gedanken. Der andere Ball repräsentiert Ihre Fähigkeit zur Reflexion. Wenn Sie nun Ihr gesamtes Erleben reflektieren, d.h. sprachlich genau repräsentieren, entspricht das dem Versuch, zwei undurchdringliche Bälle zur gleichen Zeit in den gleichen Raum zu stellen.

Das Prinzip der zwei Bälle ist das WAHRHEIT SAGEN-PRINZIP. Auf diesem Prinzip beruht die CL-Coaching-Praxis des Wahrheit Sagens, d.h. unsere gesamte Erfahrung so zu beschreiben, wie sie ist. Ohne etwas hinzuzufügen oder wegzunehmen. Das ist jedoch nur vor dem Hintergrund absoluter Wahrheit möglich.

Viele Menschen behaupten aber: Jede Wahrheit ist relativ. Damit versuchen sie die Existenz absoluter Wahrheit auszuschließen. Um wahr zu sein, muss diese Aussage jedoch selbst relativ sein. Wäre sie nämlich nicht relativ, wäre sie gleichzeitig wahr und unwahr. Damit stünde sie in direktem Widerspruch zu sich selbst, hätte keine Aussagekraft mehr und würde dadurch sinnlos.

Wenn aber die Aussage, dass jede Wahrheit relativ ist, selbst relativ ist, muss es auch absolute Wahrheit geben – auf die sich relative Wahrheit beziehen kann. Das Wahrheit Sagen Prinzip bezieht sich auf absolute Wahrheit, nicht auf relative Wahrheit. Um dies jedoch leisten zu können, ist das dritte Arbeitsprinzip nötig, das in der folgenden Parabel beschrieben ist.

3. Die Parabel von den drei Vögeln

Es treffen sich drei Freunde. Im Lauf einer angeregten Konversation fragt ein Freund den anderen: "Wenn du alles sein könntest, was du willst, was wärst du am liebsten und warum?" Der befragte Freund antwortet ohne zu zögern: "Ich wäre gern ein Vogel, weil ich dann fliegen könnte." Dann fragt er zurück: "Und wie steht’s mit dir? Was wärst du am liebsten?" Nach kurzem Überlegen antwortet dieser: "Ich wäre gern zwei Vögel. Dann könnte ich hinter mir herfliegen." Daraufhin stellen die beiden dem dritten Freund die gleiche Frage. Dieser denkt nicht lange nach und antwortet mit einem Lächeln: "Ihr werdet es kaum für möglich halten. Ich wäre gern drei Vögel – dann könnte ich mir nämlich dabei zusehen, wie ich hinter mir herfliege.

Der erste Vogel steht für unsere sinnliche Wahrnehmung. Er repräsentiert was der heilige Bonaventura das Auge des Fleisches nannte. Mit diesem Auge sehen wir die äußere Welt des Raumes und der Dinge. Der zweite Vogel steht für unsere geistige Wahrnehmung. Er repräsentiert das Auge der Vernunft. Mit diesem Auge eröffnet sich uns die Welt der Zeit, der Abstraktion, der Bilder, der Logik und Begriffe. Der dritte Vogel steht für unsere transzendente Wahrnehmung. Er repräsentiert das Auge der Kontemplation. Mit diesem Auge erkennen wir absolute Wahrheit. Wir sehen die Dinge wie sie sind. Wir erkennen die Wahrheit, die uns frei macht.

Deshalb ist das Prinzip des dritten Vogels das ZEUGEN-PRINZIP. Es beschreibt die Praxis der Kontemplation. Des einfachen Präsent-Seins mit unserer sinnlichen und mentalen Wahrnehmung. Wie ein wohlwollend neutraler Zeuge. Leer und erwartungslos präsent. Erst mit dem Zeugenbewusstsein des dritten Vogels wird die Praxis des Wahrheit Sagens möglich. Ohne weiße Leinwand sehen wir keinen Film. Ohne erwartungslose Präsenz des dritten Vogels fehlt uns der Hintergrund vor dem wir die Dinge erkennen können. So wie sie sind. Wir verstricken uns im Teufelskreis konzeptualisierter Wahrnehmung.

DER TEUFELSKREIS KONZEPTUALISIERTER WAHRNEHMUNG

Dieser Teufelskreis funktioniert auf folgende Weise. Vermutlich sitzen Sie auf einem Stuhl, vielleicht vor einem Computer, während Sie diesen Text lesen. Sie können demnach ganz einfach wahrnehmen, wie Sie auf einem Stuhl sitzen. Das ist die sinnliche Wahrnehmung Ihres Körpers. Wenn Sie aber versuchen, diese sinnliche Wahrnehmung zu beschreiben, werden Sie etwas interessantes feststellen. Sie werden sich sagen: "Ich sitze auf einem Stuhl. Der ist hart oder weich" usw. Aber halt! Was beschreiben Sie da? Beschreiben Sie was sie jetzt wahrnehmen? Jetzt in diesem Augenblick? Oder ist es nicht vielmehr die Beschreibung einer Wahrnehmung, die gerade – vor dem Bruchteil einer Sekunde – stattgefunden hat?

Wenn Sie also ganz genau beobachten, was passiert, wenn Sie Ihre Wahrnehmung beschreiben, dann entdecken Sie, dass Sie eigentlich nie beschreiben was Sie jetzt, in diesem Moment wahrnehmen. Sondern eigentlich nur das, was Sie gerade eben wahrgenommen haben. Sie beschreiben also eigentlich die Erinnerung einer Wahrnehmung. Nicht die sinnliche Wahrnehmung selbst. Sondern eine sinnliche Wahrnehmung in der Vergangenheit, in der Zeit. Aber damit nicht genug.

Wenn Sie weiterhin genau beobachten, was passiert, wenn Sie Ihre sinnliche Wahrnehmung beschreiben, entdecken Sie, dass aus ihr eine (sprachliche) Repräsentation Ihrer Wahrnehmung wird. Im Moment, in dem Sie Ihre sinnliche Wahrnehmung beschreiben, verwandelt sie sich in ein Konzept Ihrer Wahrnehmung. In eine Abstraktion, ein mentales Abbild Ihrer vormals sinnlichen Wahrnehmung. Aber damit immer noch nicht genug.

Das Wahrnehmungs-Konzept verschwindet nicht. Es lebt weiter in der mentalen Domäne der Zeit und der Erinnerung. Es wird zum Wahrnehmungsfilter für die nächste sinnliche Wahrnehmung. Diese konzept-gefilterte Wahrnehmung wird wieder zu einem Wahrnehmungs-Konzept, das wiederum zum Filter für die nächste sinnliche Wahrnehmung wird. Dieser Prozess stabilisiert sich zum Teufelskreis konzeptualisierter Wahrnehmung in dem wir nur das wahrnehmen, was wir glauben und nur glauben, was wir wahrnehmen. Freiheit und Kreation ist innerhalb dieses Teufelskreises nicht möglich.

Beispiel: Anthropologen berichten, dass Buschmänner, von denen sie Fotos machen, sich auf den Fotos nicht wiedererkennen. Ihnen fehlt das Konzept "Bild" im Bewusstsein. Deshalb sehen sie nicht ein Bild von sich selbst, sondern nur farbige Punkte und Flächen. Obwohl sie über die gleichen sinnlichen Organe verfügen, sehen sie sich nicht selbst auf den Fotos. Ihnen fehlt das Konzept, das ihnen erlauben würde, sich auf den Fotos wiederzuerkennen. Haben sie dieses Konzept in ihr Bewusstsein aufgenommen, erkennen sie sich natürlich auf den Fotos wieder.

BEFREIUNG AUS DEM TEUFELSKREIS KONZEPTUALISIERTER WAHRNEHMUNG DURCH DIE PRAXIS DES WAHRHEIT SAGENS

Wenn Sie Ihren eigenen Wahrnehmungsprozess beobachten, werden Sie feststellen, dass er automatisch und sehr schnell abläuft. Eigentlich so schnell, dass wir ihn normalerweise nicht wahrnehmen können. Deswegen kann man die eben beschriebenen Beobachtungen nur mit einem Minimum an Kontemplations-Praxis machen. Nur mit einem ausreichend geöffneten Auge der Kontemplation kann man "die Zeit genügend verlangsamen", um zu sehen, wie automatisch und schnell wir eine Unmenge sinnlicher Wahrnehmungen "verarbeiten", d.h. in für uns "sinnvolle Konzepte" der Welt verwandeln.

Diese Konzepte tendieren dazu, sich selbst zu bestätigen, sich selbst zu bewahrheiten. Das ist der Teufelskreis konzeptualisierter Wahrnehmung aus dem es ohne Zeugenbewusstsein kein Entkommen gibt. An diesem Punkt setzt die Praxis des Wahrheit Sagens an. Indem wir unsere gesamte, d.h. die sinnliche und mentale Wahrnehmung beschreiben, also uns dabei zusehen, wie wir hinter uns herfliegen, bringen wir den Inhalt beider Wahrnehmungsbereiche zum Verschwinden. Wie die beiden Bälle in unserem Gedanken-Experiment verschwindet nun der Inhalt sowohl sinnlicher als auch mentaler Wahrnehmung im "Raum reiner Präsenz". Dem Bereich absoluter Wahrheit und Urgrund jeglicher Wahrnehmung, der sich uns durch das Auge der Kontemplation eröffnet. Wir werden zum Hintergrund, zur Leinwand für den sinnlich-mentalen, vierdimensionalen Film unseres Lebens.

Wir sind nicht mehr das, was wir sehen, hören, fühlen, schmecken und riechen und das was wir glauben, denken und wovon wir überzeugt sind. Wir sind nicht mehr unsere sinnlichen und mentalen Wahrnehmungen. Wir haben sinnliche und mentale Wahrnehmungen. Wir sind nicht mehr mit unseren Sinneseindrücken, Emotionen, Gefühlen und Gedanken identifiziert. Wir haben Emotionen und Gefühle. Wir haben Gedanken, Glaubensvorstellungen und Überzeugungen ...

Fortsetzung folgt ...

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